Hanjo Schneider ist Mitglied des Vorstandes der Otto Group und Vorstandsvorsitzender der Hermes Europe GmbH

Liebe Mitarbeiter und Partner,

erfolgreiche Unternehmungen entstehen meist aus einer guten Idee heraus. So wurde Hermes 1972 von dem großen Visionär und Unternehmer Werner Otto beispielsweise mit dem eindeutigen Vorhaben gegründet, den Kunden des Otto Versandes einen besseren Lieferservice anzubieten, als dies über die damalige Deutsche Bundespost möglich war. Mit dem Hermes-Versand-Service entstand alsbald eine logistische Alternative zum staatlichen Monopolisten und der neue Paketdienst wurde in den kommenden Jahren nicht nur von den verschiedenen Händlern des Hauses Otto, sondern Ende der neunziger Jahre vermehrt auch von Unternehmen außerhalb des Konzerns frequentiert. Heute arbeiten weltweit über 10.500 Menschen in 11 Gesellschaften unter dem Hermes Markendach und generieren einen Umsatz von 1,8 Milliarden Euro. Mit ihren Leistungen bilden sie dabei die gesamte Wertschöpfungskette des Handels ab. Ob Warenbeschaffung, Qualitätssicherung, Transport, Fulfilment, der traditionelle Paketservice oder das 2-Mann-Handling - als derzeit einziges Unternehmen weltweit offeriert Hermes seinen Auftraggebern all diese Services aus einer Hand. Das macht unser Unternehmen zu einem wertgeschätzten Partner des globalen Handels. Allein in Deutschland lassen sieben der 10 größten Distanzhändler ihre Warensendungen von Hermes zu den eigenen Endkunden transportieren. Und in Europa ist das Unternehmen mittlerweile der größte Paket-Dienstleister bei der Zustellung an den privaten Endkunden.
Für diese Entwicklung gibt es viele gute Gründe. Denn im Laufe der vergangenen 40 Jahre hat Hermes sehr häufig die Rolle des Trendsetters eingenommen. Dazu gehört beispielsweise die Einrichtung von mittlerweile mehr als 14.000 Annahmestellen im deutschen Einzelhandel, um den Empfang und Versand von Paketen für den Privatkunden besonders einfach und bequem zu gestalten. Es folgten die internationale Expansion und der Aufbau von Landesgesellschaften in Österreich, Großbritannien, Italien und Russland. Heute ist Hermes der Paketdienst für ganz Europa - und das gleichermaßen für geschäftliche wie private Auftraggeber. Aus dem kleinen und einzigen Paketdienst mit privatwirtschaftlichem Hintergrund wurde so ein richtig großes Unternehmen, das aus dem heutigen Straßenbild nicht mehr wegzudenken ist.
Bekanntlich gibt es für Erfolg kein Patentrezept, man muss ihn sich hart erarbeiten. Entsprechend könnte die dem Englischen entlehnte Maxime für Hermes lauten: „Let's try harder!" Und in der Tat ist es die Einstellung, sich über die reine Norm hinaus zu engagieren oder ein Stück weiter zu denken, die alle Hermes Unternehmungen auszeichnet. Denn nur so konnte man sich als Newcomer-Marke gegen die etablierte und teilweise staatlich protegierte Konkurrenz durchsetzen, unfaire Wettbewerbsbedingungen ausgleichen sowie die eigene Leistungsfähigkeit entlang der Wertschöpfungskette des Handels kontinuierlich ausbauen.
Bemerkenswert ist, dass Hermes angesichts dieser Herausforderungen nicht nur Schritt gehalten, sondern viele Entwicklungen - z. B. das sich durch den E-Commerce verändernde Konsumentenverhalten - frühzeitig antizipiert hat. Die Welt des Handels hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder verändert und die Logistik vor neue Aufgaben gestellt. Und Hermes fühlt sich dem Handel wie kaum ein anderer Logistiker traditionell eng verbunden. Entsprechend bieten wir unseren Partnern heute nicht nur erstklassige Transport- und Distributionsleistungen, sondern konzipieren auch leistungsfähige Webshops, entwerfen Lifestyle-Produkte und testen Verbrauchsgüter auf ihre Qualität und Sicherheit. So nehmen wir unseren Auftraggebern immer mehr Verantwortung für Prozesse ab, damit diese mehr Zeit in ihr Kerngeschäft - ob bei der Kundenpflege, dem Marketing oder der Gestaltung eines attraktiven Angebots - investieren können.
Mit der zunehmenden Größe und dem Erfolg ist auch die Verantwortung von Hermes für soziale und ökologische Belange gewachsen. Wir sind stolz darauf, einer rund um die Welt stetig wachsenden Zahl von Menschen attraktive berufliche Perspektiven bieten zu können. Zudem bauen wir unser Umweltengagement, das bereits seit den 1980er Jahren eine Konstante der Unternehmensziele ist, konsequent aus. Gleichwohl wissen wir sehr genau, dass in diesen beiden Bereichen, den maßgeblichen Faktoren für kommende wirtschaftliche Erfolge, noch viel zu tun bleibt. Diesen Herausforderungen werden wir uns bei Hermes erfolgreich stellen, dessen bin ich mir sicher. Mehr dazu erfahren Sie spätestens in der Festschrift zu unserem Fünfzigsten. Bis dahin wünsche ich Ihnen viel Freude mit dieser Chronik und der facettenreichen Unternehmensgeschichte von Hermes.

Ihr Hanjo Schneider
Mitglied des Vorstandes Otto Group und CEO Hermes Europe GmbH

Dr. Michael Otto ist Vorsitzender des Aufsichtsrats und ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Otto Group

Liebe Leserinnen und Leser,

„wir betrachten uns nicht als Konkurrenten der Bundespost. Im Gegenteil: Wir nehmen ihr noch Arbeit ab." Diese Sätze sagte der Unternehmer Werner Velbinger in einem Interview kurz vor der offiziellen Gründung des Hermes- Paket-Schnell-Dienstes, der Keimzelle der heutigen Hermes Unternehmensgruppe. Zugegeben, das war frech. Denn natürlich war der Hermes-Paket- Schnell-Dienst 1972 genau dies: eine private Paketpost.
Die Idee zur Gründung der - so der offizielle Titel - Hermes-Paket-Schnell-Dienst GmbH & Co. KG ging auf eine intensive Diskussion im Otto-Vorstand zurück. Aus guten Gründen: Die Deutsche Bundespost, über die der damalige Otto Versand die Bestellungen seiner Kunden auslieferte, war kein betriebswirtschaftlich geführtes Dienstleistungsunternehmen, sondern ein staatliches Monopol und wie eine Behörde strukturiert. In der Praxis bedeutete dies: Die Bundespost, gern als „Bummelpost" bezeichnet, war erstens langsam und zweitens teuer. Ich selbst, der ich als Junge in der Packerei des Otto Versands Ferienjobs absolvierte und 1971 als Vorstand für den Einkauf von Textilien in das Unternehmen eintrat, war von der Grundidee sofort überzeugt. Natürlich hatte Hermes zu Beginn nicht die Größenordnung, der Deutschen Bundespost das Fürchten zu lehren. Aber darum ging es auch gar nicht, sondern um etwas viel Wichtigeres: Unabhängigkeit. Der Otto Versand wollte nämlich nicht, dass seine Kunden auf ihre Waren warten mussten, nur weil falsches Wetter herrschte oder ein Streik beschlossen war. Der Otto Versand wollte ebenfalls nicht, dass Pakete gegen jede Marktvernunft sprunghaft 30 Prozent teurer wurden, nur weil die Regierung es so entschieden hatte. Wir wollten, so kann man es vielleicht zusammenfassen, nicht mehr ausgeliefert sein. Also lieferten wir selbst aus.
Was allerdings aus Hermes geworden ist, das hätte ich in meinen kühnsten Träumen nicht erwartet. Heute, 40 Jahre nach Beginn der Unabhängigkeit, ist die Unternehmensgruppe nicht mehr die hauseigene Zustellorganisation, sondern eine tragende Säule des Konzerns, die darüber hinaus der Otto Group einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil sichert. Damit meine ich nicht nur, dass Hermes in den letzten Jahren verlässlich Rekordzahlen schrieb und zuletzt mehr als 1,8 Milliarden Euro Umsatz zum Gesamterlös beisteuerte. Damit meine ich vor allem, dass die Otto Group weltweit der einzige Distanzhändler ist, der über seine eigene Logistik- und Servicesparte verfügt - deren Dienstleistungen übrigens, und diesen Respekt muss man sich verdienen, auch direkte Mitbewerber überzeugen, sodass sie zu Auftraggebern, zu Kunden wurden. Damit meine ich aber auch, dass Hermes das Paradoxon vollbrachte, sich über vier Dekaden hinweg treu zu bleiben und dennoch stets neu zu erfinden.
Wie schafft man das? Es gibt ein Kreismodell, das angeblich von einem tibetischen Mönch stammen soll. Dieser Kreis ist in vier Stücke geteilt. Ein Stück davon ist Talent: Hermes fand es in qualifizierten Partnern wie dem eingangs erwähnten Werner Velbinger, später durch eigene, wachsende Erfahrung und der Weitergabe dieser Erfahrung an junge Auszubildende. Der zweite Teil ist Fleiß: Hermes war sich nie zu schade dafür, anzupacken - wie mir einer meiner Nachbarn bestätigte, der kurz vor Weihnachten mit einer Hermes-Zustellerin ins Gespräch kam und überrascht erfuhr, dass diese nur aushelfe und normalerweise das Tender Management betreibe. Der dritte Part ist Intelligenz: Das liegt bei einer so hochkomplexen Disziplin wie Logistik nahe, meint aber auch das Erkennen von Chancen, die Lust am Experiment. Ich schmunzle heute noch, wenn ich an das „Sommermobil" denke, jene Lieferfahrzeuge von Hermes, die man in den 1970er Jahren vor der Ferienzeit als Wohnwagen umrüstete. Auch wenn diese Idee nicht erfolgreich war, sie war gut und es wert, ausprobiert zu werden.
Die Grundvoraussetzung dafür ist jedoch die fortwährende Bereitschaft und Fähigkeit, sich neuen Gegebenheiten, Herausforderungen oder auch Kritik zu stellen. Gerade das hat das Unternehmen in der jüngsten Vergangenheit eindrucksvoll bewiesen. Es gehört Courage dazu, unternehmerische Verantwortung über den eigenen Betrieb hinaus zu übernehmen, beispielsweise auch für Beschäftigte von Dienstleistern und Kooperationspartnern. Doch eben dieser Moral und Weitsicht bedarf es, um ein Unternehmen zukunftsfähig zu halten. Das Modell geht aber noch weiter, denn nur, wenn die drei ersten Teilstücke des Kreises gegeben sind, kommt in gleicher Weise das Glück dazu. Nicht umsonst heißt es, Glück muss man sich erarbeiten. Hermes hat auch dieses Glück gehabt. Ich erinnere mich gut an all jene Auguren, die - schon in den 1970er Jahren und von da an immer lauter werdend - den Niedergang des Versandhandels prophezeiten. Die Otto Group, und damit auch Hermes, war immer vom Gegenteil überzeugt. Spätestens durch die Erfindung des Internets und des E-Commerces wurde diese Auffassung bestätigt. In diesem Sinne wünsche ich Hermes nur das Eine: weiterhin viel Glück für die nächsten 40 Jahre.

Ihr Dr. Michael Otto
Aufsichtsratsvorsitzender der Otto Group
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